Geschichte des PG

DIE LANGE GESCHICHTE DES „LANGEN BAUS“

 

Die Geschichte des „Langen Baus“ beginnt im Jahr 1715, als die baulustige Äbtissin des hochadeligen Damenstifts, Maria Theresia von Montfort, mit der Reichsstadt Buchau einen Vertrag schließt. Das Stift erhält demnach die Zuständigkeit über den Pfaffengraben, damit es dort ein großes Ökonomiegebäude errichten kann. Dieses „New Gebaw“ (Neues Gebau) schließt den Stiftbezirk nach Süden ab und ist mit seinen 89 Metern Gesamtlänge und seinen 90 bis stellenweise 110 cm dicken Mauern ein recht stattliches Gebäude. In ihm wurden Ställe, Wagenremisen und Fruchtschütten untergebracht. 35 Ortschaften mussten dort ihren Zehnten abgeben. Auch wegen des Viehbestands musste das Gebäude so groß sein: Schon während des 30-jähigen Krieges, im Jahr 1632, hatte das Stift einen Viehbestand von 61 Stück und 27 Pferden aufzuweisen, und 1715 wird der Bestand wohl kaum geringer gewesen sein. Man weiß, dass die Fürstin bei Repräsentationsfahrten in ihre Ortschaften mit zwölf Pferden und einem Vorreiter zu reisen pflegte.

Der erste Umbau stand bereits 1743 an: Die neue Äbtissin des Stifts, M. Carolina, Gräfin von Königsegg-Rothenfels, wollte den sogenannten Pfründgarten zu einem Hof-Blumen- und Kräutergarten herrichten lassen; ein Springbrunnen und ein Gewächshaus sollten die Anlage vervollkommnen. Sie wollte „zu besserer Bequemlichkeit“ einen Durchgang durch den Langen Bau errichten lassen. Weil sie auf diesem kurzen Weg in den neuen Garten die der Stadt gehörende Straße (heute: Oggelshauser Straße) überqueren musste, wurde mit der Stadt ein umfangreicher Vertrag geschlossen, der die beiderseitigen Rechte wahrte. Es wurde festgelegt, dass der Durchgang nur der Fürstin und ihren Capitulardamen mit ihren jeweiligen hohen Besuchen zur Verfügung stehe, dass sonst aber niemand diesen Weg gebrauchen dürfe. Außerdem erhielt die Stadt das Recht, von fremden Händlern, die im Stift Frucht kauften und keine Untertanen waren, von jedem Sack Frucht vier Haller Wegegeld (Zoll) zu nehmen. Solche umfangreichen Regelungen waren damals deshalb notwendig, weil jedes Hoheitsgebiet an seiner Grenze von durchgeführten Waren den Zoll erheben durfte und man streng darüber wachte, dass die Abgabepflicht nicht auf Nebenwegen umgangen werden konnte.

1803 – 1875: Wohnhaus und Gefängnis

Im Zuge der Säkularisierung wurde das Damenstift 1803 aufgehoben. Weil die fürstliche Hofhaltung zu Ende war, wurde auch das Ökonomiegebäude überflüssig. Der Fürst von Thurn und Taxis übernahm die gesamte Anlage und ließ wieder umbauen: Jetzt wurden Wohnungen eingebaut für drei Geistliche und drei Beamte, einschließlich dem Gerichtsdiener. Außerdem wurde das Kriminalgefängnis in den Langen Bau verlegt, denn das Amtsgericht blieb vorerst noch in Buchau. Daneben waren noch einige Pferdeställe und Wagenremisen vorhanden. Diese Nutzung des Gebäudes dauerte etwa 70 Jahre. Das Gefängnis wurde schon mit der Auflösung des Fürstl. Thurn- und Taxisschen Amtsgerichts im Jahr 1849 aufgehoben.

1875 – 1974: Ein Haus für viele Schulen

Eine neue Epoche – der Lange Bau als Schulgebäude – begann im Jahre 1875: Die Stadt Buchau kaufte das Gebäude dem Fürsten von Thurn und Taxis ab. Nach dreijährigen Umbauarbeiten zu Schulräumen und Lehrerwohnungen fanden im September 1879 dort die verschiedensten Schulen Platz: die Latein- und Realschule, die christliche Elementarschule mit drei Klassen, die israelitische Schule und eine Kleinkinderschule. Dass die Schule neben einem Zeichensaal und einem Modellierraum auch noch einen Turnsaal – als neue Errungenschaft – besaß, wurde damals als großer Fortschritt gefeiert. – Von nun an war der Lange Bau endgültig als Schulhaus etabliert, doch nur seine dicken Außenmauern haben den Wandel der Zeiten nahezu unverändert überdauert. In seinem Inneren ging die wechselvolle Geschichte weiter, und deshalb waren immer wieder neue Umbauten, Modernisierungen und Sanierungen notwendig, denn das Schulangebot wurde immer mehr erweitert: Ab 1919 kam zu den bereits vorhandenen Schulen eine Fortbildungsschule für alle Schulentlassenen hinzu, 1924 wurde eine gewerbliche Berufsschule eingerichtet, 1934 wurde der Turnraum aufgegeben, um weitere Klassenräume bauen zu können, 1936 wurde die einklassige evangelische Bekenntnisschule, die vorher ein eigenes Schul- und Mesnerhaus in der Schulstraße hatte (heutiges evangelisches Pfarrhaus), in die allgemeine Volksschule eingegliedert. 1938 wurde die israelitische Schule aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze aus dem Langen Bau ausgewiesen. Nur für kurze Zeit fand sie eine Zuflucht im Rabbinatsgebäude neben der Synagoge, bis die Nationalsozialisten 1942 allen jüdischen Kindern jeglichen Schulbesuch untersagten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen die Schülerzahlen stark. Noch immer teilten sich die Volksschule und das Progymnasium, wie unsere Schule seit 1953 heißt, das Gebäude. Der Zuschnitt der Räume und auch ihr Zustand muss aus heutiger Sicht nahezu unvorstellbar gewesen sein. Alle Planungen, die in jenen Jahren auf einen Neubau für das Progymnasium zielten, verliefen erfolglos, doch schließlich gelang es dem Buchauer Fabrikanten Karl Götz, den Gemeinderat davon zu überzeugen, dass nach der Aufgabe der Wohnungen im östlichen Teil des Hauses und einem Umbau die Schulraumnot beseitigt werden könnte. Als 1960 die gewerbliche Berufsschule geschlossen wurde, bot sich dann endlich die Gelegenheit, vier neue Klassenräume, ein Lehrerzimmer, ein Rektorat, neue Sanitäranlagen und einen für die damalige Zeit sehr modernen Fachraum für die Naturwissenschaften einzubauen.

Diese Maßnahmen brachten allerdings nur für kurze Zeit eine Linderung der Raumnot. Von der Mitte der fünfziger Jahre bis zum Schuljahr 1970/71 verdoppelte sich die Zahl der Klassen; die Schülerzahl stieg auf mehr als 300 Schüler. Deswegen mussten viele Klassen ausgelagert werden. Drei Klassen waren im Schloss, zwei im Haus der Vereine und eine weitere im Unterrichtsraum der Fahrschule Hummler untergebracht. Der Volksschule erging es in dieser Zeit nicht besser: Von ihren 15 Klassen waren acht recht weit verstreut: Im alten evangelischen Gemeindesaal, in der ehemaligen Landwirtschaftlichen Berufsschule, in der früheren Frauenarbeitsschule, im alten Schulhaus in Oggelshausen und im Schulhaus Kappel. Im Januar 1974 konnte die Grund- und Hauptschule, die mittlerweile die zentrale Hauptschule im Federseeraum geworden war, ihren großzügigen Neubau beziehen.

Von 1974 bis heute: Schulhaus des Progymnasiums

Seit 1974 ist das Progymnasium alleiniger Nutzer des Langen Baus. Nach dem Auszug der Grund- und Hauptschule waren die räumlichen Voraussetzungen für eine zeitgemäße Erneuerung der Schulausstattung gegeben. Es konnte daher ein Sprachlabor und eine neue Einrichtung für den Chemie- und Physikunterricht angeschafft werden. – In den Jahren von 1996 bis 2000 wurde das Gebäude bei laufendem Schulbetrieb in drei Bauabschnitten grundlegend saniert. Wände, Decken, Böden und Fenster wurden erneuert, alle Räume wurden vollkommen neu ausgestattet, und zusätzlich wurde ein Nebengebäude mit den Fachräumen für Musik und Bildende Kunst errichtet. Auch die Außenanlagen wurden völlig neu gestaltet.
So ist aus dem Baudenkmal „Langer Bau“ wieder ein weithin beachtetes Schmuckstück geworden, auf das die Schulgemeinde, die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger des Federseeraums mit Recht stolz sein können.

Quellen:

Joh. Evang. Schöttle, Geschichte von Stadt und Stift Buchau samt dem stiftischen Dorfe Kappel, neu aufgelegt 1977
Zeitungsartikel von Anna Endrich, undatiert, aber eindeutig dem Anfang der 60-er Jahre zuzuordnen.
Zeitungsartikel von Eugen Stocker vom Mai 1981, aus Anlass des 150-jährigen Schuljubiläums.
Eugen Stocker, „Die Entwicklung des Schulwesens in Buchau am Federsee“, in: Veranstaltungskalender Bad Buchau für den Monat März 1975.
Albert Blank, „Geschichte der Lateinschule von 1831 und der Realschule von 1845 bis 1920“ (Handschriftliche, in deutscher Currentschrift verfasste Aufzeichnungen; Albert Blank, Studienrat und Schulvorstand, war von 1919 bis 1927 an der Schule) .

Werner Dammert (Schuldirektor a.D.)

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